festival of exiles VI

Podewil Klosterstr. 68-70 Berlin
Friday 05.12.2003
Saturday 06.12.2003
Sunday 07.12.2003
flyer 2003 a
Vor etwa 10 Jahren hat sich in Amsterdam ein improvisierendes Kollektiv von Musikern, Tänzern, Video- und visuellen Künstlern zusammengetan, die in Workshops und Aufführungen eine modellhafte interdisziplinäre Arbeit pflegen, in deren Zentrum die künstlerische Entscheidung steht. Die Tänzer bringen ihren Erfahrungshintergrund aus Ballet sowie vom modernen und zeitgenössischen Tanz ein, die Musiker kommen von Punk, elektronischer and Computer-Musik, Jazz, Rock and zeitgenössisch-westlicher Musik.
United Kingdom
the human funk tornado
Einige Inputs und Outputs aus Lidells quasi-autobiographischem Datenstrom: the artist formerly known as Prince; 1000 £ Erbschaft, investiert in Drum machine und Synthie; Philosophiestudium; Can; Erfahrung eingeschränkter Studiotechnik; Cristian Vogel; immer neu anfangen; Klänge als Beziehungen; How are sounds unmade?; Subhead; sich von eingeschränkter Studiotechnik nicht beeindrucken lassen: in Studios die Mikrofone verschieben, the magic of spacing and placing; Super_Collider. Yell the spell with Lidell, momentan in Berlin. Mysterien müssen Mysterien bleiben. http://www.no-future.com
Palestinian Territories / Paris
oud
vocals
Die klassische arabisch-ägyptische Musik hat die palästinensische Musikerin in ihrer Kindheit geprägt, ihr Vater war Instrumentenbauer und Musiklehrer. Mit der Gruppe Sabreen tourte die Sängerin seit Anfang der 80er Jahre weltweit und gab Anstöße für eine moderne arabische Liedkultur. Seit Ende der 90er Jahre lebt Kamilya Jubran in Paris. Sie versteht sich als Singer-Composer, definiert ihre Wurzeln in der klassischen arabischen und ihre experimentellen Interessen in westlicher Musik. Beides versteht sie gekonnt zu vernbinden. http://www.kamilyajubran.com
Japan / Berlin
dance "The Round System # 2"
Skurril, absurd, hyperreal. In ihren hochenergetischen Tanzperformances verbindet die Japanerin Takako Suzuki gekonnt tänzerische und theatrale Elemente. Inspiriert und ausgebildet von der legendären Anzu Furukawa, entwickelte Suzuki ihren ganz eigenen physischen Ausdruck. Das langjährige Mitglied in der Tanzkompanie von Sasha Waltz an der Berliner Schaubühne hat zudem eigene Stücke choreografiert und häufig und gerne mit Improvisationsmusikern zusammenarbeitet. Der Poet Pilote le Hot hat sie, wie sie sagt, auf Anhieb zu Bewegung inspiriert.
Paris
spoken word poetry "The Round Sysem #2"
Die Wucht der Worte. Poesie aus dem Untergrund. Pilote le Hot ist ein Pionier und Prinzipal der französischen Slam Poetry Bewegung, die er mit seinem einzigartigen und unverwechselbaren Poetry Style mitgeprägt hat. Der "Cultural Militant", häufiger Gast bei internationalen Poesiefestivals, initiiert demokratische Poetry Events in Bars und Theatern, bei denen Ansehen, Herkunft, Kultur, Identität oder Stil der Beteiligten keine Rolle spielen. Er ist Autor der Bücher „love, poetry and fresh pasta“ und „Fast Culture“. Beim Festival of Exiles begibt er sich in kongeniale Spannung mit Takako Suzuki. http://www.slameur.com/poete/pilote/center.html
Australia
Piano
Der "Rolling Stone" nominierte ihn zweimal in der Kategorie “Best Keyboardist”.
Albania / Berlin
vocals
Erst ein Studium der Islamistik, dann in Gesang, dann über Nicht-westlicher Techniken in zeitgenössischer Musik. Mit soviell Wissen und Qualifikation hat sich die albanische Sängerin Ibadet Ramadani zuerst auf die strenge zeitgenössische Musik kapriziert und dann auf die eher lustvolle Popmusik gestürzt, beispielweise mit ihrer Popband "super700", deretwegen sie in Berlin ihre Zelte aufgeschlagen hat. Songs im Duo mit dem Australier Chris Abrahams erleben beim Festival eine Premiere.
Tokyo / Berlin
dance
Von der Malerei führte der Weg zum Tanz. Junko Wada, in Tokyo geboren, überformt Elemente traditioneller japanischer Bewegungskunst in einem modernen abstrakt-reduzierten Tanzstil. Musik und Körper versteht sie als zwei eigenständige Formen desselben Ausdrucks. Die Anmut, Ruhe und Konzentration in ihren raumbeherrschenden Bewegungschoreografien übertragen sich auf den Zuschauer, der sich entspannt in die erzeugten Bilder fallen lassen kann. Auf ihre Anregng hin, entsteht für das Festival eine Arbeit mit Conny Bauer.
Berlin
Posaune
Konrad „Conny“ Bauer begann schon als Jugendlicher zu musizieren. Nach autodidaktischen Anfängen als Sänger und Gitarrist in verschiedenen Bands, studierte er in Dresden Posaune
Australia / Berlin
Drums
Percussion
Electronics
Ein ingeniöser und vielseitiger Rhythmus- und Klangforscher mit international beachtlichem Renommee. Nach dem Konservatorium wandte er sich zunächst dem Jazz zu (Arbeit u.a. mit Branford Marsalis), ging für einige Zeit nach Japan und dann nach Europa. Rock, Funk und Jazz bindet er improvisatorisch und konzeptuell ein in elektroakustische Sound- Noise- Ambient Collagen, die zwischen sensibler Stille und hochenergetischem Drumsound pendeln. Ein kleines Name-Droping könnte u.a. Otomo Yoshihide, Jon Rose, Nicolas Collins, John Zorn, Tom Cora, Phil Minton, The EX, Peter Brötzmann, Subrito Roy Chowdury, Clifford Jordan, Han Bennink, Shelley Hirsch, Wayne Horvitz nennen.
United Kingdom / Berlin
Violin/Stroh
Violin/Viola/Grammophone
Nach einem Studium der klassischen Musik an der Royal Academy of Music in London hat sich der Violinist und Komponist für Tanz und Theater als Performer und Erfinder von absurdem Musiktheater hervorgetan und dabei mit vielen prägenden Künstlern der internationalen Musik-, Tanz- und Theaterwelt in diversen Ensembles und projektbezogen zusammengearbeitet. Er pflegt heutzutage eine milde Obsession für Grammophone und vor-elektrische Aufnahmeverfahren. Seine "Stage Fright" Performance thematisiert etwas, das alle Künstler kennen - Lampenfieber.
Canada
double bass
electric bass
Der in unterschiedlichen musikalischen Milieus vagabundierende Bassist lebt seit Beendigung seines Studiums an der McGill University in Montreal in Europa. Ob in der freien Improvisation oder im Jazz, ob am E- oder am Kontrabass - er entwickelt kontinuierlich sein Vokabular und erweitert sein Klang-, Stil- und Genrespektrum in der Zusammenarbeit mit Musikern wie Paul Lovens, Tristan Honsinger, Han Bennink, Evan Parker, Tony Buck, Eugene Chadbourne oder Axel Dörner.
Brazil / Berlin
"Tango Brasileiro"
Jenseits vom Samba-Klischee widmet sich das Cello Trio in stilvoll Ausgedeutung den harmonischen und Walzern und Tangos des 19. Jahrhunderts, wie sie unter dem Eindruck der europäischen Salonmusik in Brasilien entstanden sind. Es spannt den Bogen bis in die brasilianische Moderne, die bei aller Anlehnung an die Avantgarde immer einer ganz eigenen tonalen Sinnlichkeit verhaftet bleibt. Freude und Einvernehmen auf künstlerischer wie auf menschlicher Ebene nennen die drei Cellisten und Hochschullehrer Marcio Carneiro, Matias de Oliveira Pinto und Peter Dauelsberg als Antrieb ihre künstlerischen Unternehmens. http://www.matiasdeoliveirapinto.de
Argentina / Berlin
composition
live electronic
Algorithmische Kompositionen, Audio-Projekte am Fachbereich "Künstliche Intelligenz", Klanginstallationen - die Argentinierin entdeckte bald nach dem Studium von Klavier und Komposition die elektronische Musik fürsich. In jüngster Zeit befasst sie sich mit der Interaktion zwischen Komponist, Musikern und Maschinen in einem Live-Setting, wobei ihre Arbeiten sich gut in die reduktionistische Berliner Schule einfügen. Im Trio mit Annette Krebs, Gitarre, und Alessandro Bosetti, Saxophon, mischt sie sich aktiv in den Interpretatiosprozeß ihrer Komposition mit ein. http://62.109.89.67/mugi/Rodriguez/index.html
New Zealand / Europa
music
film
Cloudboy um die Sängerin Demarnia Lloyd stellen aus Samples, elektroakustischem Material und natürlichen Sounds psychedelisch anmutenden Ambient-Live-Soundtracks her, die sie Dokumentar- und Amateurfilmen aus den 30er Jahren unterlegen. Bild und Ton verweben sich zu einem minimallistisch-somnambulen Sinneseindruck - wie aus einer anderen Zeit und Welt. Die in ihrer neuseeländischen Heimat prominenten Musiker sind einzeln in ganz verschiedenen künstlerischen Sphären tätig - u.a. auch für den Soundtrack von "Herr der Ringe". http://www.cloudboy.net.nz
Persien / Berlin
Classical Persian Music
In der persischen Kunstmusik haben sich über Jahrhunderte unterschiedliche regionale und ethnische Einflüsse durchdrungen zu einer kunstvoll subtilen und intim anmutenden Musik von hochdifferenziertem melodiösem Ausdruck und rhythmischer Kraft.
Liberia / Berlin
accordeon
vocals
Aus dem bürgerkriegszerrütteten Liberia verschlug es den Akkordeonisten, Tänzer, Komiker, Jazz-Drummer und Sänger über die Elfenbeinküste nach Deutschland; nach Berlin. Katholische Missionare wollten sich seines Talents ebenso annehmen wie der liberianische Tourismusminister. Mit der Liberian National Culture Troop tourte er Marokko, die USA, Senegal, die Schweiz, Neukaledonien, Finnland und Frankreich. Seine Lieder spiegeln in einer seltenen Melange populäre afrikanische Liedtraditionen, Spirituals & Gospels, Reggae und Pop wider. http://www.afroculture.de
postfunk dub
Drei Musiker, drei Instrumente, drei Kontinente. Das sind Tipper Gore, das ist Postfunk-Dub. Rico Repotente (g) kommt von den Philippinen, Joe Williamson (b) aus Kanada, und T. Buck (dr) ist Australier. Von ihrer Berliner Basis aus bespielen neben zahlreichen Clubs regelmäßig wichtige Avantgarde-Festivals wieNickelsdorf, Ulrichsberg oder das Mulhouse Festival. Eigen-entlehntes Material und instrumentale Interpretationen von Soul- & Funk-Klassikern und Hip Hop- und Dubstücken fasst das Trio in straffe, blechfreie Minimalismen.
Lecture Performance
Installationen und kinetische Klangskulpturen, die nach Sequenzen oder oft auch nach zufälligen Zeitmustern automatisch gesteuert werden, sind das künstlerische Arbeitsfeld des Rolf Langebartels. Ein zentrales Thema seiner Arbeit ist, Prinzipien der musikalischen Komposition in die Plastik zu übertragen. Langebartels gründete 1978 die Non-Profit-Galerie Giannozzo in Berlin und leitete von 1986 bis 2002 den Kunstverein Giannozzo, der vor allem im Bereich der Klang- und Performancekunst tätig war und Symposien zu theoretischen Aspekten aktueller Kunst und Musik organisierte. Seine Lecture Performance gibt Einblicke in eine faszinierende und wundersame künstlerische Zwischenwelt. http://www.floraberlin.de/rlangebartels
Somachord
tibetische Klangschalen
Musik für eine Person. Das Somachord oder auch die Klangliege ist ein Instrument, um darauf zu liegen. 26 gleich gestimmte Saiten erzeugen einen Sound, dessen Schwingungen nicht nur ins Ohr dringen, sondern den gesamten Körper erfassen. Ebenso die schüsselgroßen tibetischen Messingschalen, die auf verschiedenen Körperpartien gespielt werden. Diese Klänge und Töne stehen außerhalb des regulären Kontextes von Musik Hörens, sind sie doch ganz auf das innere Erleben gerichtet und versprechen dabei eine heilsame und entspannende Wirkung auf Geist und Seele. http://www.kristall-net.de

stilistische Vielfalt sowie spannende musikalische Erkundungen und Begegnungen stehen auf dem Programm beim sechsten Festival of Exiles, das im Podewil Station macht. Ob akustisch oder elektronisch, improvisiert oder komponiert, klassisch oder populär, westlich oder außereuropäisch - das Festival of Exiles entwirft das Bild einer lebendigen Musik der Gegenwart und stellt sie im Dialog und Kontrast vor. Vielleicht mit der Behauptung, daß reales und künstlerisches Nomadentum Ausdruck derselben unsteten Neugier sind.

Wenig Bekanntes und dabei qualitativ Besonderes zu bieten ist eine Triebfeder. Ein weiteres Anliegen ist aber auch, musikalische Milieus und Subkulturen, die sich eher fremd sind, ins Verhältnis zueinander zu setzen. Klassische und traditionelle Musik trifft dabei auf die spontane Musik des Augenblicks, filigran Konzertantes auf Noise und Clubkultur, rein akustisches Spiel auf elektronisch generierte und manipulierte Sounds.

Musiker, Klangforscher, Komponisten und Performer, die sich unbefangen am vorhandenen Fundus bedienen und das künstlerische Risiko als den Normalfall pflegen, treffen auf Musiker, die ihre ursprüngliche Kultur in der Fremde zu bewahren und zum Teil auch weiterzuentwickeln suchen.

Ein besonderes Augenmerk in diesem Jahr liegt auf Musik und Tanz. Die Magpie Music Dance Company aus Amsterdam, unter der Leitung der renommierten Tänzerin, Choreografin und Lehrerin Katie Duck und der Violinistin Mary Oliver, versteht sich als ein stilistisch offenes und gleichwohl künstlerisch entschiedenes Kollektiv, das seit 10 Jahren improvisatorisch mit den Genres Tanz, Music, Video, Text und Lichtdesign. jongliert. So hat der Cellist Tristan Honsinger, ein international gefragter improvisierender Musiker und Komponist, z.B. die Musik für Sasha Waltz' "Travelogues" komponiert und eingespielt.

Die minimalistisch-präzise Bewegungssprache der japanischen Tänzerin Junko Wada trifft auf das gleichermaßen sensible und präsente Posaunenspiel von Conny Bauer, ein über Berlin hinaus hoch geschätzter Musiker. Takako Suzuki, langjähriges Mitglied in der Kompanie von Sasha Waltz, hat ein Duo mit dem französischen Slam Poeten Pilote le Hot verabredet. Ein Wort-Körper-Dialog. Der englische Sound-Wizzard Jamie Lidell, eine Größe in einschlägigen Kreisen, bestreitet die Eröffnungsnacht im Podewil-Club, am zweiten Tag abgelöst von Tipper Gore, deren instrumentaler Postfunk-Dub den schweißigen Funk der 70er Jahre á la James Brown auferstehen läßt.

Eine Ausnahmeerscheinung ist die in Paris lebende palästinensische Sängerin und Oud-Spielerin Kamilya Jubran, die sich mit der arabischen Laute Oud nicht nur eine instrumentale Männerdomänie erobert hat, sondern zudem die klassische arabische Musik um moderne Einflüsse erweitert und mit aktuelle Themen bereichert.

Aktuelle Themen greift auch Bayogar aus Liberia auf, in dessen von Akkordeon begleiteten Liedern sich die Gesangstradition seiner westafrikanischen Heimat mit Blues, Gospel, Reggae und afrikanischen Pop-Idiomen vermischen.

Das Cello Trio und seine Samba-freien, hinreißend melancholischen brasilianischen Tangos sowie das Ensemble Barbad für traditionelle und klassische persische Musik sind bei aller Verschiedenheit Beispiele für eine hohe Musikkultur und ein außergewöhnliches Repertoire.

Im Zentrum aller Abende steht wie gehabt die sogenannte und bei den Künstlern recht beliebte Impro-Arena als ein Raum für probate Formationen und spontane Zusammenwürfelungen und Absprachen. Ein weiteres Special: Musik für eine Person. Der meditative Stimulus für Ohr und Körper auf der Klangliege oder die Behandlung mit tibetischen Klangschalen wenden die Hör-Perspektive ganz auf das innere Erleben. Ein Eintauchen in Sound.

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